Meine Perspektive ist keine einzigartige, aber eine für mich eigenartige. Ich arbeite für den Parlamentsklub einer politischen Partei und bin dabei vorbelastet durch meine journalistische Tätigkeit, der ich fast ein Jahrzehnt lang nachgegangen bin. Ich sehe täglich Geschichten, die ich schreiben würde, wäre ich noch Journalistin und mir tun sich Fragen auf, die – für mich unerklärlicherweise – ungestellt bleiben. Fast täglich ärgere ich mich mitunter gleichermaßen über Medien, Politik und die Konsument_innen beider Bereiche.
Ich behaupte nicht, objektiv zu sein und bitte, meine Gedanken im Kontext meiner verschiedenen Vorbelastungen zu sehen, aber vielleicht ist die eine oder andere meiner Beobachtungen doch für irgendwen von Nutzen.
Österreich mangelt es an Medienkritik, die im Interesse einer qualitativ hochwertigeren und ethischeren Medienlandschaft steht. Stattdessen kommt Kritik an Medien immer stärker von jenen, die sich durch sie angegriffen fühlen. Dabei denkt man in erster Linie an die Rechte, aber auch andere politische Kräfte, Unternehmen und Einzelpersonen sind daran beteiligt. Aus persönlicher Betroffenheit tragen sie dazu bei, Vertrauen in etablierte Medien zu untergraben und richten damit mittel- und langfristig einen womöglich irreparablen Schaden an, nur um kurzfristig irgendeinen Kampf zu gewinnen.
Es sind wenige, die sich diesem Thema auf eine andere Art nähern. Auf die Schnelle fallen mir nur Kobuk.at ein und Stefan Kappacher. Es gibt aber international betrachtet interessante Beispiele, wie man Medienkritik ganz anders, viel breitwenwirksamer und mitunter auch unterhaltsamer angehen kann. Unvergessen bleibt mir dabei der US-Comedian Jon Stewart, wie er 2014 minutenlang das amerikanische Newsportal CNN für seine mangelhafte Berichterstattung zum Absturz einer Malaysian Airline Maschine verspottete.
Derselbe gab einmal Rachel Maddow ein Interview, das sich sehr viel mit polarisiertem politischen Diskurs, Medienformaten und der Rolle der Medien generell beschäftigt, das ich hiermit herzlich empfehle. Formate wie diese haben wir in Österreich nicht. Unsere wichtigste Polit-Talkshow ist meist ein Durcheinanderbrüllen der immergleichen Akteure, unsere bekannteren Entertainment-Sendungen, wie etwa Willkommen Österreich, hören beim billigen Witz über das politische oder mediale Geschehen meist auf und ihr Rechercheunterbau ist nicht vergleichbar mit jenem solcher Formate in anderen Ländern.
Es besteht außerdem ein Mangel an aufrichtiger Politikkritik in Österreich. Selbstverständlich gibt es viele sehr gute Journalist_innen in diesem Land, die überwiegend einen sehr guten Job beim Kommentieren des politischen Geschehens machen. Doch auch sie kämpfen mit bestimmten Widrigkeiten. Damit meine ich gar nicht Repressalien durch irgendwen oder irgendwas, sondern in erster Linie Zeit. Den meisten Journalist_innen fehlen die Zeitressourcen, sich auf ein Thema anständig vorzubereiten, bevor sie zu einer Pressekonferenz oder zu einem Interview gehen. Meist – und ich weiß das aus eigener Erfahrung und möchte gar nicht behaupten, dass ich das damals besser gemacht hätte – liest man sich die letzten APA-Meldungen und OTS-Aussendungen zu einem Thema durch, googelt noch 20 Minuten ein paar Zahlen und geht dann los. Dann sitzt man bei einer Pressekonferenz, hat keine Ahnung, ob das, was der Mensch da vorne am Mikro sagt, wirklich stimmen kann und ist zu stolz, die most basic questions zu fragen: „Wie soll das gehen? Wer soll die Verantwortung dafür haben? Wie gedenken Sie, das zu finanzieren?“
Hat man diese Fragen gestellt, so tut man sich unvorbereitet mit einer Nachfrage schwer. „Die Zahlen, die Sie hier vorlegen, sind nicht richtig. Woher haben Sie die? Warum verwenden Sie nicht stattdessen diese oder jene Quelle? Das hat schon einmal nicht funktioniert, wie unterscheidet sich Ihr Plan von …“ Ich unterstelle jetzt einmal allen Journalist_innen, dass das Fragen sind, die sie stellen würden, wenn sie mehr Zeit hätten, sich vorzubereiten, statt: „X hat über Sie gesagt, Sie seien ein Trottel. Was sagen Sie dazu?“ Und die Antwort ist dann: „Es ist nicht meine Art, jemandem über die Medien etwas auszurichten, aber wenn er das so gesagt hat, ist er vielleicht selber ein Trottel.“
Was lernt der Medienkonsument aus so einem Wortwechsel über das Thema, das er eigentlich bewerten soll, z.B. Pensionsreform, Familienbeihilfe etc.? Nichts. Viel von all jenem, was täglich geschrieben, in Radiomikros gesprochen oder im Fernsehen gesprochen wird, hilft jemandem, der nicht in der Materie drinnen ist und dem die inneren Dynamiken der österreichischen Politik nicht vertraut sind, absolut nicht bei der Einordnung oder Bewertung inhaltlicher Fragen in der Politik. Man hat zunehmend das Gefühl, dass das auch gar nicht mehr das Ziel ist.
Hinzu kommt die viel diskutierte Verflechtung und Verhaberung von Politik und Journalismus, Journalismus und Journalismus und überhaupt allen. Das Thema sprengt den Rahmen dieses ersten Beitrages, daher sei zu Anfang nur so viel gesagt: Wenn man weiß, wer in Österreich als nächstes etwas werden will und die Legosteinchen, die er dafür zusammensetzt, einzeln erkennen kann … Wenn man beispielsweise sieht, wie die Integrität eines Qualitätsmediums in Brand gesteckt wird, um den Interessen einzelner Personen zu dienen, statt der gesamten Leserschaft … Wenn Akteure, die so spielen, sich nicht einmal genieren oder besonders intensiv versuchen, ihre Intention zu verschleiern und die Kritik daran kaum mehr als ein dünnes Stimmchen im Wind ist, dann ist das ein Problem, an dem wir als Gesellschaft arbeiten müssen.
Und alle paar Jahre rotten sich dann ein paar enttäuschte Journalisten zusammen und gründen ein neues Medienprojekt, um es „diesmal wirklich gscheit“ zu machen. Oft enden sie wie alles, was es davor schon gegeben hat. Eine große Ausnahme ist meines Erachtens die Redaktion von dossier.at, die einen sehr aufrichtigen, arbeitsaufwändigen und integeren Journalismus abseits etablierter Großmedien betreiben. Wenn ich aber dann etwa meine Eltern frage, ob sie wissen, was das ist, dieses dossier.at, werden sie wohl leider nein sagen. Trotzdem ist es eben cool, dass Dossier Dinge ausprobiert, die für Österreich neu sind. So etwa die Aufbereitung der Berichterstattung zur BUWOG-Affäre, Supernaked.
Der politische Diskurs ist kein Ort, an dem irgendjemand um Kritik oder Nachfragen von jemand anderem bittet. Ein Absolvent der Universität, die ich besuchte, sagte einmal in einer Festrede, dass er eines von seinen Mitstudierenden aus aller Welt gelernt habe: Question everything. Hinterfrage ALLES, denn es ist für die Demokratie und auch für den eigenen Verstand absolut überlebenswichtig. Während wir das alle schon einmal in irgendeiner Form irgendwo gehört haben, vergessen wir immer wieder darauf oder halten es für eine Art abgedroschenen Witz. Ich stelle mir allerdings vor, dass Kritikfähigkeit eine Art Muskel ist, der sich zurückbildet, wenn man ihn nicht benutzt. In diesem Sinne werde ich mich bemühen, hier in Zukunft öfter meine bescheidenen Gedanken zur österreichischen Politik- und Medienszene zur Diskussion zu stellen und freue mich über jede_n der/die mir Gedanken dazu schicken möchte.